Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Im Rahmen der Debatten um die Visafreiheit für türkische Staatsangehörige in der EU stehen derzeit die türkischen Anti-Terror-Gesetze im Zentrum. Die türkische Regierung und der Präsident Erdoğan nutzen den schwammigen Terrorbegriff zur Verfolgung der Opposition. Für die Bundesregierung schien das bislang kein Problem zu sein: Bereits seit Langem kooperiert sie in diesem Bereich mit ihren türkischen Partnern. Andere Vorhaben werden als Bekämpfung von „Menschenhandel“ bezeichnet. Jedoch steigen die Menschen nicht unter Zwang in die Boote über die Ägäis. Sie sind wegen der EU-Migrationspolitik von der Schattenwirtschaft der Fluchthilfe abhängig.

Das Bundesinnenministerium und das türkische Innenministerium arbeiten seit Jahren im Bereich der Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität zusammen. Im Mittelpunkt standen unter anderem Maßnahmen gegen Spendensammlungen der kurdischen Bewegung in der millionenstarken kurdischen Diaspora. Im gleichen Zeitraum fanden mindestens sieben Konsultationen und Arbeitstreffen zur kurdischen Arbeiterpartei PKK zwischen dem BKA und dem türkischen Geheimdienst MIT statt. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz tauscht sich regelmäßig mit dem MIT aus. Nicht neu sind Hinweise, dass eben dieser türkische Geheimdienst dem „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien Waffen liefert.

Die Kooperation unterliegt politischem Kalkül, nun wird dies noch ausgeweitet: Im Februar verabredeten Deutschland und die Türkei eine abermals „intensivierte Zusammenarbeit“ zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, wie jetzt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine schriftliche Frage bestätigte. Gemeinsame Maßnahmen und Operationen richten sich nicht nur gegen den IS, sondern auch kurdische und linke Gruppierungen die der Präsident für terroristisch hält. Explizit geht es dabei um die Ermittlung und Verhaftung der Verdächtigen. Neben der ungefragten Übersendung von Erkenntnismitteilungen sind weitere „Workshops“ geplant. Das Bundesinnenministerium wird so in Deutschland zum Handlanger der türkischen Behörden. 

Bundesinnenministerium schürt Appetit auf Repression 

Es ist doppelzüngig, wenn die Bundesregierung das Scheitern des EU-Türkei-Deals nun wegen der fehlenden Reform der Anti-Terror-Gesetze beklagt. Denn die deutsch-türkische Zusammenarbeit gegen linke Gruppierungen macht den türkischen Behörden überhaupt erst Appetit auf Repression im Rahmen ihrer bestehenden Anti-Terror-Kompetenzen, die so weit gefasst sind, dass sie praktisch gegen jeden angewandt werden können.

Notwendig wäre hingegen die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland und eine Initiative zur Streichung der PKK von der EU-Terrorliste. Die PKK und ihre Schwesterpartei PYD in Syrien müssen in der in der Region Rojava als lösungsorientierte Kräfte anerkannt werden. Die Bundesregierung muss sie deshalb international als Partner zur Lösung des Bürgerkriegs in Syrien ins Spiel bringen.

Gefahr für Geflüchtete

Auch im Zusammenhang mit dem EU-Türkei-Deal zur Flüchtlingsbekämpfung spielt die Sicherheitskooperation mit der Türkei eine Rolle, die zu noch tödlicheren Routen für die Geflüchteten führt. Im türkischen Innenministerium werden die Zuständigkeiten für den Grenzschutz durch die Einrichtung einer neuen Abteilung der Polizei zur „Bekämpfung von Menschenhandel und Schleusungskriminalität“ zentralisiert. Auch Deutschland intensiviert die Zusammenarbeit gegen kommerzielle Fluchthelfer in der Ägäis. 

Laut dem Staatssekretär Ole Schröder fanden bereits verschiedene vorbereitende Expertentreffen“ deutsch-türkischer Polizeibehörden statt. Zur „Bekämpfung der Schleusungskriminalität“ hat das Bundespolizeipräsidium im März ein gemeinsames Projekt zur „operativen Auswertung“ mit der türkischen Nationalpolizei gestartet. Weitere Maßnahmen befänden sich noch in der Abstimmung.

Schriftliche Frage zur deutsch-türkischen "engen Zusammenarbeit insbesondere in den Bereichen Extremismus und Terrorismus" (mit Heike Hänsel): http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/790-schriftliche-frage-zur-deutsch-tuerkischen-engen-zusammenarbeit-insbesondere-in-den-bereichen-extremismus-und-terrorismus-mit-heike-haensel 

Schriftliche Frage zu deutsch-türkischer „Bekämpfung der Schleusungskriminalität“ (mit Inge Höger): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/084/1808458.pdf 

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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